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2     Der General Electric Mark I Siedewasserreaktor

Nukleare Sicherheit ist im Grunde ganz einfach. Man baut mehrere Hüllen um den Brennstoff, in dem sich bei der Kettenreaktion die radioaktiven Zerfallsprodukte bilden und sorgt dafür, dass der Kern immer ausreichend gekühlt ist.

Beim General Electric Mark I Reaktor gibt es vier Sicherheitsbarrieren, die versagen müssen, damit Radioaktivität in die Umgebung gelangen kann:

- die Hüllrohre der Brennstäbe,

- der Reaktordruckbehälter (RDB),

- das Containment, auch eingedeutscht Sicherheitsbehälter genannt, und dann noch

- das Reaktorgebäude.

Und die Faustregel besagt, solange die Brennstäbe unter Wasser stehen, können sie nicht versagen, das heißt: vordringliche Aufgabe der Mannschaft ist es dafür zu sorgen, dass immer genug Kühlwasser im RDB steht.

Das Design des General Electric Mark I könnte man als etwas eigenartig oder eigenwillig bezeichnet und wurde von Anfang an heftig kritisiert, was dazu führte, dass General Electric rasch die Baureihe modifiziert, da es sich schnell herum sprach, dass der Mark I kein großer Wurf war; es folgte rasch der modifizierte Entwurf Mark II, der auch nicht viel besser war, dann der ebenfalls ungelungene Mark III und dann stellte General Electric die Produktion ein. In Deutschland hatte die General Electric Tochter AEG auch nicht mehr Glück mit ihrer deutlich besseren Baureihe SWR 69. Nach dem Störfall in Würgassen war AEG de facto pleite und wurde von Siemens übernommen und ging in der KWU auf.

Der Mark I kombiniert gleich eine ganze Anzahl von Merkwürdigkeiten, das Auffallendste ist das Containment in Form einer Birne mit einem Torus. Das Bild zeigt ein Mark I Containment im Bau. Das Containment besitzt ein sogenanntes Kondensationssystem, mit dem der Dampf, der bei einem Störfall ins Containment freigesetzt wird, konsensiert wird. Dazu besteht das Containment aus zwei getrennten Kammern, dem "Drywell", in dem die Freisetzung erfolgt und dem "Wetwell", in den der Dampf dann überströmt, wobei er kondensiert wird.

Auf dem Bild sieht man die "Birne" des Drywell, den Torus des "Wetwells", die dicken Kondensationsrohre vom Drywell in den Wetwell, die große Schleuse, um vom Reaktorgebäude in den Drywell zu gelangen, und die zahllosen Rohre, die durch die Wand der Drywell-Birne führen. Um von oben an den Reaktordruckbehälter (RDB) zu gelangen und die Brennelemente wechseln zu können, hat die Drywell einen Deckel aus Stahl, der im Vordergrund zu sehen ist und später oben auf der Birne mit Schrauben befestigt wird.

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Das Containment besteht aus den zwei druckfesten Räumen: Drywell (1) (hellgelb) und Wetwell (2) (hellblau). Der Wetwell wird auch mit Kondensationskammer bezeichnet. In der Kondensationskammer befindet sich ein großer Wasservorrat (dunkelblau), der zu Kühlzwecken genutzt werden kann.

Das Containment besteht aus Beton mit einem innen liegenden "Liner" (eine Art Blechauskleidung) aus Stahl. Oben auf dem Containment ist der Deckel aus Stahl (3), über dem Betonplatten zur Abschirmung der Strahlung liegen. Diese Platten verhindern, dass man den Deckel von außen kühlen kann.  Mit der Methode "Wasser von oben draufsprühen" ist da nicht viel zu erreichen, anders als im Fernsehen suggeriert wurde.

Das Abklingbecken (4) für die abgebrannten Brennelemente liegt außerhalb des Containments und ist eine Art Swimmingpool auf der obersten Etage des Rektorgebäudes. Das Reaktorgebäude ist zwar nicht druckfest, da es in keinem Störfallszenario dort zu einem Druckaufbau kommen kann, aber luftdicht und wird kontrolliert belüftet, d.h. die Abluft wird gefiltert und über den Kamin abgegeben.

Die Designlösung, das Abklingbecken außerhalb des Containments zu legen, ist die besser technische Lösung. Wie der Störfall in Fukushima gezeigt hat, ist es dann möglich, das Abklingbecken zu kühlen auch wenn der Reaktorkern schmilzt. Ist dagegen, wie bei vielen (auch den deutschen) Druckwasserreaktoren das Abklingbecken innerhalb des Containments, dann führt der Verlust der Kühlung des Reaktors auch zum Verlust der Kühlung des Abklingbeckens und die Radioaktivität der Brennelemente im Abklingbecken wird ebenfalls freigesetzt.

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Der eigentliche Reaktor befindet sich im Drywell (1). Das Reaktordruckgefäß (RDB) ist im Grunde nichts als ein riesiger Wasserkocher.  Der Reaktorkern, in dem die eigentliche Kettenreaktion abläuft, befindet sich im unteren Teil. Darunter befindet sich ein weitgehend leerer Raum, die untere Kugelkalotte, durch den die Führungsrohre der Steuerstäbe laufen. 

Eine Besonderheit des Siedewasserreaktors ist, dass die Steuerstäbe von unten hydraulisch in den Kern geschoben werden. Der Kern besteht im Wesentlichen aus einer Blechtonne voller Brennelemente, das sind längliche viereckige Kästen, in denen die dünnen etwa fingerdicken Brennstäbe angeordnet sind. Es gibt 144 Brennelemente mit ca. 50.000 Brennstäben. Der Kern ist bis zur Oberkante mit Wasser gefüllt. Das Ganze ist die technische Lösung des Problems wie man aus ver-schiedenen Elementen einen möglichst homogenen Kern herstellt und gleichzeitig die Wärme abführt. Im Betrieb fängt das Wasser an zu kochen, wie im Wasserkocher - nur bei höherem Druck und höheren Temperaturen. Der Dampf steigt nach oben und wird über die Frischdampfleitung (5) zur Turbine geführt, dort kondensiert und über die Speisewasserleitung in den Kern zurückgefördert (7).

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Die Kühlmittelförderung erfolgt über Jetpumpen, deren Jet-Teil (8) sich im RDB befindet und die elektrischen Antriebe mit der Pumpe außerhalb. Im Jet-Teil wird durch den Wasserstrahl aus der Pumpe in einer Art Düse das Wasser oberhalb mitgerissen und beschleunigt und dadurch in den Reaktorkern gepresst (9).

Bei Bedarf und insbesondere bei einem Störfall können diese Leitungen durch Ventile geschlossen werden. Grundsätzlich gilt, dass alle Leitungen durch die Containment-wand über zwei Ventile verfügen, eins innen und eins außen, um sicherzustellen, dass sich das Containment druckdicht verschließen lässt. Oft sind dies unterschiedliche Ventile, entweder elektrisch oder hydraulisch oder mit Druckluft.

Die Kernspaltung im Kern erzeugt den Dampf entsteht im RDB und treibt die Turbine und wird unter der Turbine im Kondensator durch Kühlung mit Meerwasser in Wasser zurückverwandelt. Die Turbine im Turbinenhaus erzeugt somit aus dem Dampf den e-lektrischen Strom.

Der Kühlkreislauf RDB -> Turbine und zurück ist zweimal und von einander getrennt  vorhanden. Das nennt man 2-Loop-Anlage. Dadurch ist vorgegeben, dass auch alle Sicherheitssysteme zweimal vorhanden sein müssen.  Die Zeichnung zeigt nur die eine Hälfte. Die gezeigten Systeme sind betriebliche Systeme und können im Notfall bei Bedarf über die Ventile geschlossen werden.
 
Der Hauptgrund für die Einführung des Containments im Reaktorbau war der hypothe-tische Störfall "Bruch einer Haupt-Kühlmittel-Leitung, der sicher beherrscht werden soll. Bei einem Kühlmittelverlust-Störfall schießt Dampf mit hohem Druck in das eigentliche Containment (hellgelb) und die Containment-Atmosphäre wird durch die Kondensati-onsrohre in die Kondensationskammer (hellblau) gedrückt (Blaue Pfeile).

Der Druck in der Kondensationskammer steigt. Das Wasser (dunkelblau) fliegt zu-nächst hoch und fällt zurück. Jetzt strömt Dampf nach und wird im Wasser kondensiert (rote Pfeile).  Dadurch wird der Druckaufbau begrenzt.

 

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Nach einer Weile sinkt infolge von Kondensation der Druck im Drywell und durch Rückschlagklappen strömt die nicht-kondensierbare Gasatmosphäre in den Drywell zurück. (gestrichelte blaue Pfeile)


In Fukushima liegt kein Kühlmittelverlust-Störfall vor.
 
Man fragt sich natürlich, warum die Konstrukteure des Reaktors nicht einfach einen großen zylindrischen oder kugelförmigen Behälter aus Stahl oder Beton um den Reaktor herumgebaut haben, der groß und druckfest genug ist, um den Druckaufbau bei einem Kühlmittel-Verlust-Störfall aufzufangen. Die Antwort ist einfach: Ein solches einfacheres Containment wäre sehr viel teurer geworden als diese komplizierte Konstruktion.

Das Unglück in Fukushima beantwortet auch die Frage, ob diese preiswertere Konstruktion genauso gut ist wie die einfache aber teurere Lösung. Die Antwort ist ein klares Nein; die Containments der Blöcke 1 bis 3 wurden im Störfall undicht und lecken so stark, dass der Betreiber TEPCO den Versuch, die Containments bis zu den RDBs mit Wasser aufzufüllen, aufgeben musste. 

 

Das Bild zeigt das Niederdruck-Notkühlsystem (Low Pressure Coolant Injection LPCI= hellblau), welches Wasser aus der Wasservorlage der Kondensationskammer abzieht, es kühlt und dann sowohl anstelle des Speisewassers in den RDB (12)  als auch in das Containment-Sprühsystem (10) einspeist. Dieses Sprühsystem senkt den Druck im Containment und in der Kondensationskammer ab und kühlt den RDB von außen.
Das Kernsprühsystem (dunkelblau) (11)  befindet sich im RDB und sprüht zur Kühlung direkt von oben auf den Kern. Das verwendete Wasser wird langfristig über das Nebenkühlwasser, also die Kühlung mit Meerwasser über einen Wär
metauscher, gekühlt. Kurzfristig geht es auch ohne, bis das Wasser in der Kondensationskammer aufgeheizt ist.
Das System ist zweifach vorhanden, die Pumpen sogar viermal. Ohne Strom funktioniert es aber nicht. Deshalb ist es bei einem Störfall mit totalem Stromausfall wichtig, so schnell wie möglich, externe Generatoren anzuschließen und das System wieder in Betrieb zu neh
men. In Fukushima fielen diese Systeme nicht nur durch den Ausfall der Notstromdiesel sondern auch durch die Zerstörung der Einlaufbauwerke. Dadurch fiel die Meerwasserkühlung aus.

 

Die Konstrukteure des Reaktors haben die starke Abhängigkeit der Kühlung von der Verfügbarkeit von Strom auch gesehen und zur Sicherheit noch zusätzliche Sicherheitssysteme eingebaut, die ohne Strom auskommen und mit denen man die Zeit, bis die Stromversorgung wieder hergestellt ist, überbrücken kann.

Die Konstrukteure des Reaktors haben die starke Abhängigkeit der Kühlung von der Verfügbarkeit von Strom auch gesehen und zur Sicherheit noch zusätzliche Sicherheitssysteme eingebaut, die ohne Strom auskommen und mit denen man die Zeit, bis die Stromversorgung wieder hergestellt ist, überbrücken kann.

Der Block 1 verfügt über einen sog. "Containment Isolation Condensor" (IC), das ist ein Tank voll Wasser mit einem Wärmetauscher, der mit dem RDB oben und unten verbunden ist. Das Funktionsprinzip ist einfach: Dampf aus dem RDB strömt zum Wärmetauscher und heizt das Wasser im Tank auf, das verdampft und entweicht in die Um-gebung über den Kamin. Das Wasser wird dabei höchstens 100°C warm, dann verdampft es. Der Dampf aus dem RDB ist viel heißer und steht unter höherem Druck und kondensiert deshalb bei höheren Temperaturen. Der kondensierte Dampf fließt dann infolge der Schwerkraft nach unten in den unteren Teil des RBD. Das Ganze ist eine passive und damit eigentlich eine narrensichere Konstruktion, wenn der Dampf ungehindert strömen kann, das heißt, wenn die Ventile in den Leitungen offen stehen.  Ob es wirklich so narrensicher ist, wie die Propagandisten der passiven Sicherheitssystem immer behaupten, beantwortet ebenfalls der Störfall in Fukushima: Die Ventile waren zumindest teilweise offen und trotzdem hat das System nicht funktioniert. Dieses System ist zweimal in Block 1 vorhanden.

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In den Blöcken 2 und 3 war statt des IC-Systems das "Reactor Core Isolation Cooling System" (RCIC) eingebaut worden, das Strom nur für die Schaltvorgänge benötigt. Falls die Speisewasserversorgung ausfällt, wird das RCIC System zugeschaltet und es ist genauso aufgebaut wie das Hochdruck-Einspeisesystem ( HPCI). Es pumpt Wasser aus der Wasservorlage der Kondensationskammer in den RDB. Das Besondere an der Pumpe ist, dass sie von einer Dampfturbine (13)  angetrieben wird, die ihrerseits dadurch angetrieben wird, dass Dampf aus dem RDB über die Turbine in die Wasservorlage der Kondensationskammer geleitet wird. Das System funktioniert aber nur, solange das Wasser in der Kondensationskammer nicht zu heiß wird, um den Dampf effektiv zu kondensieren bzw. bis das Containment durch Überdruck versagt oder eine kontrollierte Druckentlastung durchgeführt wird. Das RCIC ist in Block 2 und 3 je einmal vorhanden.

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Ohne externe Wärmesenke funktioniert das IC und das RCIC nur begrenzte Zeit, aber man kauft sich Zeit, in der man eine mobile externe Stromversorgung anschließen kann, also z.B. Generatoren die auf Lastwagen moniert sind.

Ein weiteres im wesentlichen passives Sicherheitssystem ist das System zur Druckentlastung des RDB, mit dem man sowohl im Betrieb als auch im Störfall verhindern kann, dass der RDB zu hohen Drücken ausgesetzt wird. Eine Druckentlastung des RDB kann durch das automatische Druckentlastungssystem durchgeführt werden. Dabei wird Dampf aus der Frischdampfleitung über das Abblaseventil in die Wasservorlage der Kondensationskammer abgeblasen, wo der Dampf kondensiert. Das funktioniert aber nur solange das Wasser in der Kondensationskammer nicht zu heiß wird, also ohne externe Kühlung nur eine begrenzte Zeit. Wenn dieses Ventil sich bedienen lässt, kann man mit der sogenannten "feed and bleed"-Prozedur (= einspeisen und abblasen) versuchen, den Kern zu kühlen. Es gibt diverse Möglichkeiten, Wasser in den RDB einzuspeisen, vorausgesetzt es stehen die entsprechenden Pumpen und Wasservorräte zur Verfügung. Hierzu reicht Strom aus der Batterie.

Eine wichtige Rolle in der Sicherheitsphilosophie moderner Atomkraftwerke spielt die sog. "Vermeidung des Hochdruckpfades", d.h. die Möglichkeit den Druck und damit die Temperatur im Reaktor im Falle eines Schweren Störfalls so schnell wie möglich abzusenken. Diese Maßnahme ist zweischneidig. Wird der Druck zu schnell abgesenkt, drohen massive Hüllrohrschäden und damit unkontrollierte Freisetzung von radioaktiven Spaltprodukten in das Reaktordruckgefäß. Also sollte man dies nur machen, wenn man sicher ist, dass ein Schwerer Störfall vorliegt. Bei betrieblichen Bedingungen - also ohne Störfall - muss man in der Lage sein, die Abblaseventile kontrolliert zu öffnen und zu schließen. Die Konstrukteure hatten darüber intensiv nachgedacht und um sicher zustellen, dass dies auch dann noch zuverlässig funktioniert, wenn nur noch Strom aus Batterien zur Verfügung steht, wurden diese Ventil mit Druck aus Stickstoff-Tanks geöffnet und geschlossen. So wurde auch beim Störfall vorgegangen, bis die Stickstoff-Tanks leer waren.  Das hatten sich die Ingenieure seinerzeit nicht vorstellen können, dass der Reaktor solange außer Kontrolle ist - genauso wie heute, wo die Betreiber behaupten, dass spätestens nach 24 Stunden die Operateure die Anlage in einen sicheren Zustand bringen und deshalb nicht mehr Batterien oder größere Druckspeicher erforderlich sind.

Nach dem schweren Störfall in Three Mile Island im Jahre 1979 erkannten die Reaktorsicherheitsexperten, dass man zwei Risiken nämlich den totalen Ausfall der Stromversorgung und die Wasserstoffbildung unterschätzt hatte und es wurde weltweit nachgerüstet.

Alle Reaktoren, die noch nicht über Notstromdiesel verfügten, wurden nachgerüstet. Notstromdiesel sind riesige Stromgeneratoren mit Dieselantrieb, wobei modifizierte Schiffsdiesel zum Einsatz kommen. Die Nachrüstung ist aufwendig und teuer und zieht erhebliche Folgekosten nach sich, da die Notstromdiesel natürlich regelmäßig getestet und gewartet werden müssen. In den Blöcken 1 bis 5 wurden je zwei unabhängige a-ber räumlich nicht getrennte Notstromdiesel eingebaut und zwar praktischerweise gleich neben den Stromumformern und -verteilern in den Kellerräumen der Turbinengebäude. Nur in Block 6 ließen sich die Notstromdiesel dort nicht installieren. Deshalb wurden die Notstromdiesel für den Block 6 oben auf dem Hang hinter dem Block in einem eigenen Gebäude untergebracht. Irgendwann gab es dann mal einen Leitungsbruch in den Kellerräumen eines Turbinenhauses und die Notstromdiesel standen unter Wasser. Das störte aber nicht weiter, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht benötigt wurden. Ein paar Ingenieure haben daraufhin den Aufstellungsort kritisiert, die hat man dann in bewährter Manier gleich woandershin versetzt und nichts hat sich geändert.

Die Installation der Notstromdiesel und der Verteilerschränke im Keller des Turbinenhauses ist als ein schwerwiegender Design-Fehler (Design-Fehler 2).

Das zweite Problem, das man nach dem Unglück in Three Mile Island anging, war die Wasserstoffproblematik. Bei einem schweren Störfall, bei dem die Brennstäbe schmelzen, kann es bei hohen Temperaturen zur Zirkon-Wasserdampf-Reaktion kommen. Bei dieser  Reaktion stiehlt das Zirkon der Hüllrohre dem Wasserdampf die Sauerstoffatome regelrecht weg, um damit Zirkonoxyd zu bilden. Zurück bleibt dann statt Wasserdampf nur Wasserstoffgas. Befindet sich im Containment normale Luft, dann bildet sich Knallgas, das zu heftigen Explosionen führen kann. Um dem vorzubeugen hat man  das Containment nicht mit Luft sondern mit reinem Stickstoff gefüllt ("inertisiert") und so die Gefahr - zumindest für das Containment - gebannt oder man glaubte es zumindest.

Die Wasserstoffbildung hat in einem Reaktor wie in Fukushima einen zweiten Effekt. Wenn das neu gebildete Wasserstoffgas über die Abblaseleitung in die Kondensationkammer geleitet wird, kondensiert es dort nicht sondern bleibt als Gas erhalten und der Druck im Containment steigt und steigt. Um ein Überdruckversagen des Containments zu verhindern, wurde deshalb ein System zur kontrollierten Druckentlastung des Con-tainments nachgerüstet. (Controlled Containment Venting) Damit besteht die Möglichkeit, den Druck im Containment gezielt abzusenken und die Containmentatmosphäre gefiltert in die Umwelt abzugeben. Das Druckentlastungssystem ist sowohl an die Birne des Containments als auch an den Torus des Wetwell angeschlossen. Beide können getrennt entlastet werden.

 Leider fehlte in Fukushima ein Filtersystem zur Zurückhaltung von Jod und Aerosolen. Solche Filter sind sehr effektiv, Rückhaltung bis zu 99,99%. Solche Filter hätten sehr geholfen, die radioaktive Freisetzung zu verringern. Der Einbau von Filtern ist eigentlich kein Problem. Sie werden außerhalb des Reaktorgebäudes vor dem Abluftkamin installiert (16). Sie sind auch nicht besonders groß.

Es ist als ein schwerwiegender Design-Fehler, dass in das System für kontrollierte Druckentlastung des Containments keine Jod- und Aerosolfilter eingebaut wurden (siehe Design-Fehler 4).

 

Die kontrollierte Druckentlastung ist in jedem Fall einer unkontrollierten Leckage vorzuziehen.

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In Fukushima fehlten die Filter (16).

Nicht nur im Reaktorkern sondern auch im Abklingbecken wird langfristig Wärme erzeugt, die abgeführt werden muss, auch wenn der Reaktor abgeschaltet ist. Da die Abklingbecken sehr viel Wasser enthalten und vergleichsweise wenig Wärme erzeugen, hat die Kühlung der Abklingbecken einige Tage Zeit. Man kann sich bei einem schweren Störfall später darum kümmern, wenn man die Kühlung des Reaktors im Griff hat.

Im Fall eines totalen Stromausfalls oder eines Verlusts der Kühlmittelzufuhr war der Plan, dass die Mannschaft die Notversorgung mit mobilen Generatoren herstellt und mit mobilen Pumpen Kühlwasser einspeist. Wenn dies schnell genug geschieht, kann man so eine Kernschmelze verhindern. Solange keine Kernschmelze eintritt, ist die Radioaktivität noch sicher in den Brennelementen eingeschlossen, das Reaktorgebäude und die Umgebung sind noch nicht radioaktiv verseucht: Man kann noch überall arbeiten und Handmaßnahmen durchführen. Erst nach Beginn der Freisetzung der Radioaktivität ändert sich die Lage schlagartig, weil dann die Strahlenbelastung selbst einfachste Maßnahmen verhindert. Deshalb war für diesen Fall vorgesorgt und es gab Notfallpläne und mobile Geräte.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vier Blöcke besser als viele andere Atomkraftwerke für einen totalen Stromausfall und den damit verbundenen Ausfall der Kühlmittelversorgung gerüstet waren und die Mannschaft viele Möglichkeiten hatte, um eine drohende Kernschmelze herauszuzögern und - nach menschlichem Ermessen - auch ausreichend Zeit, um die Stromversorgung und Kühlmittelversorgung durch mobile Geräte wieder herzustellen, bevor es zu einem massiven Kernschmelzen kommt. Hier ist kein Designfehler zu erkennen.



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Petition
Abschaffung der GEZ
Keine Zwangsfinazierung

https://www.openpetition.de/petition/online/abschaffung-der-gez-keine-zwangsfinanzierung-von-medienkonzernen