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8                           Die radioaktive Emission und Evakuierung


Die Überwachung der Freisetzung von radioaktivem Material aus einem Kernkraftwerk (Emission) gehört zu den wichtigsten Sicherheitsaufgaben. Im normalen Betrieb lassen sich die radioaktiven Emissionen gut überwachen: alle gasförmigen Emissionen gehen durch den Ablaufkamin, alle flüssigen Emissionen gehen durch den Abwasserkanal.
Im Störfall können natürlich überall Leckagen auftreten. Um diese rechtzeitig zu entde-cken, gibt es ein dichtes internes Netz von Überwachungseinrichtungen. Damit der Betreiber nicht die Behörde beschwindelt, wie einst im KKW Brunsbüttel, wo die schlaue Betriebsmannschaft schnell das Messgerät an einem Abblaseventil auf "Kalibrieren" schaltete, wird die Anlage von der Behörde mit ausgewählten Messstellen "fern überwacht". Dazu gibt es in der Anlage Fukushima acht Messstellen ("Monitoring points") und es wurden noch drei weitere zusätzlich eingerichtet. Die Lage dieser Messpunkte zeigt die Karte.

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Diese Messstellen erfassen jeden Anstieg der Radioaktivität auf dem Anlagengelände und alle radioaktive Wolken, die die Richtung Japan ziehen. Radioaktive Wolken, die Richtung offenes Meer ziehen, werden nicht erfasst. Es ist also der Fall nicht auszuschließen, dass eine radioaktive Wolke Richtung offenes Meer unbemerkt entweicht und dann später mit Winddrehung zurück zu den japanischen Inseln kommt.

Um im voraus abschätzen zu können, mit welcher radioaktiven Strahlenbelastung bei einem Störfall bei den Bewohnern außerhalb des Kraftwerks zu rechnen ist, benötigt man zunächst die Größe und Dauer der radioaktiven Emission.

Bei einem schweren Störfall mit Kernschmelze befindet sich zunächst alle Radioaktivität in den Brennstäben. Die Faustformel besagt, dass 10% sich im Spalt zwischen den Hüllrohren aus Zirkon und den festen Uranoxyd-Pellets (das sind kleine zylinderförmige Tabletten) befindet, 90% der Spaltprodukte  sind im festen  Uranoxyd eingeschlossen.

Wenn infolge der fehlenden Kühlung und der damit verbunden Überhitzung die Hüllrohre versagen und die Zirkon-Wasserdampf-Reaktion einsetzt, dann gelangen diese 10% der Spaltprodukte zusammen mit dem Wasserstoff zunächst in den RDB, über Leckagen oder kontrollierte Ableitung in das Containment, dann weiter in das Reaktorgebäude und schließlich in die Umwelt.

Erst wenn die Uranoxyd-Pellets bei 2500°C schmelzen, werden die übrigen 90% der Spaltprodukte freigesetzt. Wenn sich eine Wasserstoffexplosion im Reaktorgebäude ereignet, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass zu diesem Zeitpunkt auch die größten radioaktiven Emissionen erfolgen, da es durchaus sein kann, dass die meiste Radioaktivität sich noch in den noch nicht geschmolzen Uranoxyd-Pellets befindet.

Kurz und bündig: Die Explosionen sehen spektakulär aus, sie bedeuten aber nicht, dass damit auch richtig viel Radioaktivität freigesetzt wird.
Nicht alle Spaltprodukte nutzen die Gelegenheit, sich in die Umwelt zu verflüchtigen. Einige sind träge und verharren in der Sch
melze, andere dagegen und dazu gehören die am meisten vorhandenen Spaltprodukte Jod und Cäsium sind ausgesprochen volatil und entweichen rasch aus dem Reaktorgebäude und bilden eine radioaktive Wolke, die ins Land zieht. Das Ganze muss man sich so vorstellen wie eine Rauchwolke bei einem Großbrand.

Die Messwerte an den "monitoring points" gehen nur Hinweise auf den Umfang und die Dauer der radioaktiven Emissionen aber keine zuverlässigen Angaben über die Gesamtmenge oder die Gefährlichkeit der freigesetzten Spaltprodukte.
Das Bild zeigt die Meßwerte für die Gammastrahlung in der Luft am Messpunkt "main gate" in den ersten Tagen.

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Die Messwerte zeigen sowohl den Strahlungspegel infolge von radioaktiver Ablagerung in unmittelbarer Nähe des Messpunkts als auch den Durchzug von radioaktiven Wolken: Das sind die Spitzen, die plötzlich auftreten und wieder absinken. Das Bild zeigt auch, dass die wesentlichen Freisetzungen zwischen dem 12. März und dem 26. März erfolgten. Die größten Emissionen waren am 15. und 16. März. Dieses Bild vom 15.März zeigt die Emission der radioaktiven Wolke, die Richtung Fukushima Stadt zog.

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Man sieht auch, dass die Messstellen, obwohl sie im Abstand von hundert Metern stehen, unterschiedliche Strahlungspegel anzeigen, die von der direkten Ablagerung in der Nähe des Messpunkts und von der Windrichtung abhängen. Damit eine radioaktive Wolke erfasst wird, muss der Wind in Richtung Messpunkt wehen, genauso wie es bei einem Brand der Fall ist: Der Rauch zieht in Windrichtung ab.

Die Spitzen in den Messwerten lassen sich nicht - wie man spontan vermuten könnte - definierten Vorgängen in den Reaktoren wie "kontrollierte Druckentlastung des Containments oder Wasserstoffexplosion zu ordnen, wie das Bild zeigt.

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Das nächste Bild zeigt die ausgewerteten Ergebnisse aus einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Es gab offensichtlich drei massive radioaktive Wolken und, dies zu einem recht späten Zeitpunkt, was aber plausibel ist, wenn man berücksichtigt, dass erst nach dem Schmelzen des festen Uranoxyds die Spaltprodukte mobilisiert werden und nach den Explosionen die Containments nicht mehr dicht waren und Undichtigkeiten aufwiesen.

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Aus den Daten geht hervor, dass die Strahlenbelastung am Messpunkt "main gate" am 12.3. um 5:00 um den Faktor 100 anstiegt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Kernschmelze in Block 1 eingesetzt hatte. Es lag ein totaler Stromausfall vor und die aktiven Notkühlsysteme arbeiteten nicht. Die passiven Sicherheitssysteme hatten von Anfang an nicht richtig gearbeitet und die mobile Einspeisung durch die Feuerwehr war nicht - wie geplant - innerhalb von 8 Stunden erreicht worden.

 

Völlig korrekt war schon am Abend vorher die Evakuierung in 3 km Umkreis angeordnet worden, aber jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, um in 20 km oder 30 km Umkreis zu evakuieren. Ziel der Evakuierung ist - zumindest nach Lehrbuch - die Menschen vor dem Durchzug der radioaktiven Wolke zu schützen. Grundsätzlich gilt dabei folgendes:

 

Regel 1: Je näher am Unfallreaktor, desto höher die Strahlenbelastung.

 

Regel 2: Die Strahlenbelastungen hängen vor allem von der Windrichtung ab und sind besonders hoch, wenn es beim Durchzug der radioaktiven Wolke regnet. Wenn man Glück hat und der Wind in die andere Richtung weht, dann kann man auch ganz nahe an der Anlage keine nennenswerte Strahlungsbelastung abbekommen. Es ist alles ein Frage, wohin der Wind weht und ob es Niederschläge in Form von Regen oder Nebel gibt.

Die radioaktive Wolke, die bei einem Störfall mit massiver Freisetzung von Radioaktivität entsteht, unterscheidet sich nicht von einer Rauchwolke bei einem Großbrand. Sie zieht in Windrichtung und mischt sich dabei mit der Luft und wird dadurch verdünnt. So nimmt ihre Konzentration ab. Gleichzeitig fällt ein Teil der Radioaktivität zu Boden und kontaminiert den Boden. Die Strahlenbelastung ist beim Durchzug der Wolke am höchsten und es ist deshalb unbedingt erforderlich, während des Durchzugs der Wolke kurz nach dem Störfall in geschlossenen Räumen zu bleiben.

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Die Strahlenbelastung aus der Wolke ("cloud shine") besteht vor allem aus Gamma-Strahlen, dagegen schützen am besten massive Häuser aus Beton, die japanischen Häuser sehen eher aus wie Leichtbauten, also kein besonders guter Schutz.

 

Es zeigt sich im nachhinein, dass es ein großer Fehler ist, keine festen Kriterien für die Anordnung zur Evakuierung vorzugeben, etwa "totaler Stromausfall" + "Ausfall der Kühlung" + "Überschreitung von Strahlungsgrenzwerten", sondern dass die Anordnung zur Evakuierung im Ermessen der Regierung lag, die einfach nicht wahr haben wollte, dass die drei Blöcke in Fukushima in einen schweren Störfall mit Kernschmelze und massiver radioaktiver Freisetzung liefen, und deshalb nicht entschlossen handelte.

Erst die Explosion in Block 1 hat dann die Regierung aufgeschreckt und zum Handeln gezwungen. Die Tabelle zeigt den zeitlichen Ablauf.

 

    Evakuierungsmaßnahmen
11.3. - 21:00    Anordnung Evakuierung 3 km-Radius
12.3. - 15:36    Explosion Block 1
12.3. - 17:39    Anordnung Evakuierung 10 km-Radius
12.3. - 18:25    Anordnung Evakuierung 20 km-Radius
14.3. - 11:01    Explosion Block 3
15.3. - 6:10      Explosion und vollständiger Druckabfall im Contain
ment Block 2
15.3. - 6:10      Explosion Block 4
15.3. 11:00      Aufforderung im Haus zu bleiben für den Ring zwischen 20 und 30 km
25.3.               im Ring 20-30 km freiwillige Evakuierung
22.4.               Einrichtung der Sperrzone: 20-km Radius als Zone, deren Zugang nur mit Sondergenehmigung möglich ist. Der Ring von 20 bis 30-km wurde als "evacuation preparedness zone" eingerichtet, in dem die Bewohner ständig zur Evakuierung bereit sein sollen. Auch einige hoch belastete Zonen außerhalb des 20 km Radius wurden in die Sperrzone aufgenom
men.

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Die Evakuierung lief also genau in dem Zeitraum, in dem die größte radioaktive Freisetzung fiel. Mit etwas mehr Vernunft wäre das leicht zu vermeiden gewesen. Die Evakuierung darf nicht in das Ermessen von Politiker gestellt werden, die kein Risiko tragen und nicht zur Verantwortung für ihre Fehlentscheidungen gezogen werden.

Es ist ein schwerwiegender Fehler der Genehmigungsbehörde, dass sie keine klaren Kriterien für die Evakuierung auf der Basis der Störfallanalysen festgelegt hat. (Genehmigungsfehler Nr. 3) 

Die Einrichtung der Sperrzone hätte sofort nach der Evakuierung erfolgen müssen, um die Verschleppung von Radioaktivität aus dem verseuchten Gebiet, wie z.B. der verseuchte Kies aus Namie, sofort zu unterbinden.


Es ist ein schwer wiegender Fehler der Genehmigungsbehörde, dass sie keine klaren Kriterien für die Einrichtung der Sperrzone festgelegt hat. (Genehmigungsfehler Nr. 4)


 

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Petition
Abschaffung der GEZ
Keine Zwangsfinazierung

https://www.openpetition.de/petition/online/abschaffung-der-gez-keine-zwangsfinanzierung-von-medienkonzernen